Sonntag, 27. Januar 2008
capital, capital, capital
"Liebe Hauptstadtkatze", schrieb Glückskeks. "Wie geht es dir? Ich bin in unserer Hauptstadt, und du mußt in Souterrain-Ferienwohnungen darben, aber ich hol dich bald wieder ab, ich verspreche es. Wie es mir geht? Ich weiß, du fragst nicht, du fragst nie, aber ich erzähls dir trotzdem. Mir geht es... seltsam. Die Hauptstadt ist wie immer laut und wie meistens kalt und voll mit Leuten, die sich für sehr cool halten und es auch sind, manchmal. Und ich stolpere dazwischen herum, gefangen in meiner kleinen Gedankenwelt. Ach Hauptstadtkatze..." Glückskeks schaute sich im Internetcafe um und hoffte, nicht besonders aufzufallen mit diesem sehr melancholischen Gesichtsausdruck. "Ich weiß nicht, ob ich den fernen Prinzen nicht verloren habe, bevor ich ihn ganz hatte, aber ich weiß ja auch nicht, ob ich ihn so richtig genug gewollt habe. Weh tuts grade aber trotzdem. Ich weiß nicht, ob der Bruch in der Freundschaft mit der besten Freundin noch zu kitten ist, aber ich weiß ja auch nicht, ob ich das so richtig genug will. Ich weiß nicht, wie schnell wir eine neue Wohnung finden werden, aber ich werde eine suchen, Hauptstadtkatze, ohne Dachterasse sicherlich, aber mit Balkon, versprochen. Die wird billiger sein und ich werde mehr Zeit und Geld haben, meinen Kopf zu lüften manchmal, im Wind der Hauptstadt oder woanders. Und wer weiß, vielleicht wird die übernächste Wohnung ja wieder in der Hauptstadt sein. Wir werden sehen. Wir werden vieles sehen. Und heute mittag hab ich im Asia-Imbiss meines Vertrauens einen Glückskeks gegessen, und darin stand sometimes travelling to new places can bring great transformation. That sums it up, doesnt it." Glückskeks klebte die virtuelle Briefmarke auf die virtuelle Postkarte, veröffentlichte und stapfte in den kalte Hauptstadtabend hinaus und gab auf, auf den fernen Prinzen zu warten, zumindest heute abend.

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Freitag, 14. Dezember 2007
remembering grandma
"Meine Oma ist gestorben, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks, und die Hauptstadtkatze wußte nicht, ob die schniefende Nase nun von der Erkältung oder von der Information kam. "Du hast sie kaum gekannt, ich weiß. Und ich hab sie viel zu selten gesehen in den letzten Jahren.... wie das eben so ist, man zieht in die Hauptstadt oder andere große Städte, man telefoniert manchmal und besucht noch seltener, und natürlich, natürlich, natürlich weiß man erst, daß das viel öfter hätte sein müssen, wenns zu spät ist. Aber ich hätte nicht gedacht, wie sich das so anfühlt, wenn sie mal stirbt, Hauptstadtkatze.." Nun war es sicher, woran das mit der Nase lag, denn Tränen liefen langsam über die Wangen von Glückskeks, und die Hauptstadtkatze fand das wie immer ein bißchen seltsam, das mit dem Weinen von den Menschen, aber Katzen wissen dann ja, was ihr verdammter Job ist, und sie kuschelte sich an Glückskeks, unaufdringlich, aber beharrlich, genau wie in der Stellenbeschreibung. "Sie war ja nie böse, wenn man es nicht schaffte, sie zu besuchen, nur ein bißchen traurig, und sie hat auch nie gesagt, es ist nicht mehr viel Zeit, bis auf das letzte Mal, als ich sie besucht habe..." Glückskeks erinnerte sich an den letzten Besuch und fragte sich, ob das so weitergehen würde, daß alle Frauen dieser Familie so genau wußten, wann ihre Zeit abgelaufen ist, und dies dann so matter-of-fact kundtaten wie die Oma an diesem Abend. "Da hat sie mir gesagt, daß sie Weihnachten nicht mehr da sein würde, und ich hab natürlich gesagt, ach Quatsch, aber Hauptstadtkatze, ich hab gewußt daß es wahr ist, als ich diesen Ton in der Stimme hörte, ich kenn diesen Ton. Wie meine Uroma, hab ich gedacht, als ich heimgefahren bin, scheiße, wie meine Uroma. Ach Hauptstadtkatze...." Glückskeks verlor sich in Erinnerungen, und die Tränen kullerten nun schneller. "Aber was wirklich seltsam ist, ich hab ja jetzt, mit diesen kurzen Unterbrechungen, so lange alleine gewohnt, und nie nie hab ich mich alleine gefühlt, wenn ich heimgekommen bin. Nie hatte ich dieses blöde Gefühl, das man bekommt, wenn man die Tür aufmacht und es ist keiner da, von dem die anderen manchmal erzählt haben. Durch alle Fernbeziehungen und Single-Tage nicht. Bis an dem Abend vor ein paar Wochen, als ich die Tür aufgemacht habe an dem Abend nach ihrer Beerdigung. Da hab ich mich wirklich plötzlich verdammt alleine gefühlt. Ist das nicht komisch?" Die Hauptstadtkatze fand es nicht wirklich komisch, und blieb liegen, wie es ihr Job war, und Glückskeks weinte noch ein bißchen und dachte daran, wie ihre Oma immer gelacht hatte mit diesem freundlichsten Lachen auf der ganzen Welt, an einem dieser Tage, als ihre Haare noch ganz schwarz waren, und wie ihre goldenen Ohrringe beim Lachen mitschwangen, und war ein ganz klein bißchen getröstet. Ich hoffe du lachst wieder so, Oma, dachte sie.

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Samstag, 3. November 2007
fortune revisited
"Alle Besuche gehen einmal vorbei, auch die grausligsten, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks und kuschelte sich in die zahllosen Kuscheldecken auf der Couch. Die Hauptstadtkatze kuschelte sich ein bißchen an Glückskeks heran und hoffte, nicht weggekickt zu werden wie in der letzten Nacht, als Glückskeks auf der Couch eingeschlafen war und so unruhig schlief, daß die Hauptstadtkatze irgendwann ihre Haut retten und sich eine andere Übernachtungsmöglichkeit suchen mußte. "Ja, Besuche gehen vorbei, aber die Träume bleiben anscheinend... komische Träume..." Die Hauptstadtkatze wußte schon, daß es seltsam gewesen sein mußte, und sehr aufwühlend. "Ich weiß es gar nicht mehr so genau, was passiert ist im letzten Traum, Hauptstadtkatze, aber vielleicht ist das auch besser so... ich weiß nur, daß ich viel gewandert bin im Traum." Deshalb die kickenden Füße, dachte die Hauptstadtkatze, ich dachte nur doofe Hunde kicken mit den Füßen, wenn sie vom Laufen träumen. "Gewandert, und dann zurückgekommen, den Berg hinuntergelaufen, und da war plötzlich der beste von allen, irgendwie in seinem Garten, und ich habe mich gefreut, daß er da solange im Vorgarten rumgelungert hat, bis ich wieder vorbeigelaufen bin... und ich habe gesehen, daß er sich auch gefreut hat, und wir haben geredet und ich bin weitergelaufen... und dann weiß ich nur noch, daß ich in einem Krankenhaus herumgelaufen bin und in Aufbruchstimmung war, weil ich den besten von allen noch besuchen wollte dort im Krankenhaus, bevor ich weggehen würde nach Neuseeland oder Neuschwanstein oder in die Hauptstadt oder irgendsowas, und es war schon nach der Besuchszeit, ich glaube es war sogar mitten in der Nacht, und ich habe den Weg gesucht in diesem Riesen-Krankenhaus, und ich bin herumgeirrt und herumgeirrt, und in meinem Kopf ist immer nur ein Gedanke herumgeirrt, immer wieder habe ich gedacht, i can't leave him i can't leave him i can't leave him i can't ...." Glückskeks schaute sehr verwirrt und irgendwie ein bißchen verletzt und traurig drein, und die Hauptstadtkatze wußte, daß sie sie nicht trösten konnte, diesmal nicht.

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