Sonntag, 8. April 2018
a cat revisited
"Liebe Hauptstadtkatze", schrieb Glückskeks in Gedanken. "Ich glaube es geht dir gut. Ich hoffe auch, daß es allen gutgeht, die an uns gedacht haben nach der letzten, der allerletzten Geschichte, die ich hier erzählt habe." Glückskeks fragte sich, warum immer noch Tränen über ihr Gesicht liefen, aber es war wohl je eine Träne für je einen der guten Wünsche. "Liebe Haupstadtkatze, ich brauch dir ja nicht viel zu erzählen, du hast ja eh immer alles gewußt, aber um das ganze hier ein bißchen für dich zusammenzufassen, ich weiß ja nicht wo du dich inzwischen so rumtreibst... mir geht es auch gut. Keine Möven in der neuen alten Wohnung, aber sie ist immer noch so gut für mich, wie sie früher für uns beide war. Deine letzte Wohnung war unsere gute Entscheidung. Auch wenn ein Winkel meines Herzens immer in der Haupstadt ist und bleiben wird, wer weiß schon wo es uns mal hinweht. Uns, ja. Du kannst dir vorstellen, daß ich es nicht lange ausgehalten habe ohne die Präsenz von zwei spitzen Ohren, vier weichen Pfoten und wilden Schnurrhaaren, aber daß es nur so kurz war, daß ich es ausgehalten habe, hat mich schon sehr überrascht. Ein bißchen hab ich gedacht, hoffentlich ist sie nicht pikiert da wo sie jetzt ist, daß sie so schnell ersetzt wurde, aber das ging schnell vorbei, denn ich weiß, daß du weißt, daß du nicht ersetzt bist und daß die Kürze der Zeit nur in direkter Relation steht zu dem großen Loch, das da plötzlich war, und der tausend kleinen Momente, wo man im Augenwinkel ein Schwanzwischen erwartet hat, oder ein beleidigtes Maunzen am Futternapf eine halbe Sekunde, nachdem man morgens die Küche betreten hat. Und da war kein Maunzen und kein Schwanzwischer, dagegen mußte ich sofort was tun. Eigentlich nicht überraschend. Überraschend, daß es dann vier Ohren und acht Pfoten wurden, und daß trotz der kompetent wirkenden Information es dann plötzlich doch zwei Katzenfräuleins waren und viele Namen von Cosmo bis Horst plötzlich doch nicht in Frage kamen. Überraschend, wie unterschiedlich ihr alle seid, und daß bei schwarzen Katzen wirklich alles schwarz ist, auch die Katzennasen und Schnurrhaare und überhaupt, und daß endlich ein Plan aufging, nämlich daß man besser schwarze Exemplare hat, wenn man überwiegend dunkle Kleidung trägt - ha!" Glückskeks war sehr zufrieden mit sich und sagte sich wieder einmal, daß das der Hauptgrund der Farbauswahl war und nicht das Schicksal und nicht die Tatsache, daß die Neuen nicht aussehen sollten wie die Hauptstadtkatze und nicht irgendetwas anderes. "Ich glaube, es geht dir gut. Ich glaube, mir geht es auch gut. Und es gibt vieles, was mir gefällt. Und weißt du, was eine der schönsten Erinnerungen ist, wenn ich denn aussuchen müßte aus 385 Millionen? Das war, als ich vom Tierarzt graaaaade wegfuhr, auf den ersten Metern, und ich sollte mich ja eigentlich abgrundtief mies fühlen, denn schließlich war ich ja der Trauerautokorso und der Bestattungswagen und die Vielzahl der Hinterbliebenen und allsowas, aber auf einmal hab ich dich gesehen nach den ganzen Wochen, wo du Futter einfach nicht mehr so mochtest, oder doch eigentlich noch sehr mochtest, aber einfach nicht mehr fressen konntest - und das war ja höchst ungewöhnlich und eine ständige Quelle von schlechtem Gewissen für mich - auf einmal warst du da, so vor mir irgendwo, so als Idee statt als Bild, und du hast vor dem größten Futternapf gesessen, den ich mir vorstellen konnte, voll mit total leckerem Katzengourmetluxusmegafresschen, und du hast sowas von reingehauen, aber sowas von..." Glückskeks hörte auf, in Gedanken zu schreiben, und ging in die Küche und machte eine extraleckere Leckerlitüte auf, und die kleinen Hauptstadtkatzenverwandten erschienen wie zwei kleine Schatten, ein Schatten ein bißchen glänzender und ein Schatten ein bißchen wolliger, und wußten natürlich, warum es mal eine Extraportion gab.

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