Glückskeks und die Hauptstadtkatze

"Ich weiß, ich weiß, ich verbringe ein bißchen zuviel Zeit im Netz in der letzten Zeit", seufzte Glückskeks. Die Hauptstadtkatze fand das nicht, denn es war viel netter in der Wohnung mit frisch gewaschenen, aber noch rumstehenden Wäschebergen, und mit dem ganzen schönen Altpapier und -karton, was man bekratzen, bekauen und verteilen konnte. "Ich weiß, ich müßte echt mal Großputz hier machen, aber da gibt es eben sooooo viele interessante Dinge... Videos und kluge Gedanken, wunderschöne Gedichte und interessante Blogs... was ist da schon ein bißchen Wäsche..." So isses, dachte die Hauptstadtkatze und suchte sich ein besonders dunkles Wäschehäufchen aus, auf dem man Katzenhaare wunderbar sehen würde können. "Und man denkt nach.. irgendwo habe ich dann die Frage gelesen, was würdest du machen, wenn du keine Angst hättest... hm... erst denkt man ja spontan, ich? Angst? B*llshit, ich hab eh keine. Ich bin alleine um die halbe Welt gereist, ich hab das Zirkuszelt am Laufen, wo es hoch hergehen kann... ich hab keine Angst, pffff.... aber dann fällt mir dieses andere Zitat ein, das ich letztens gelesen habe, und dann denke ich, oha, vielleicht hab ich doch Angst vor einigen Sachen. Was würde ich denn sagen, wenn ich keine Angst hätte, zum fernen Prinzen, zum Zirkusdirektor, zu dem neuen babyjungen brillanten Kopf, oder gar zu dem mysteriösen Mann aus der Vergangenheit.. und warum sagt man es einfach nicht.. dabei hab ich doch mehr als fünf Minuten übrig." Glückskeks schaute etwas unglücklich drein, und ein kleines bißchen enttäuscht über sich selber.

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"If we discovered that we had only five minutes left to say all that we wanted to say, every telephone booth would be occupied by people calling other people to stammer that they loved them." (Christopher Morley)

"Also Köln ist ja ganz nett, aber nicht soooo spannend, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks, und die Hauptstadtkatze dachte an die Katzen vor hunderten von Jahren, die sich um die Beine von planenenden Dombauern ringelten und nachts ein, zwei Zeichenstriche mit den Schwanzspitzen hinzufügten. "Aber eins hab ich heute mit Köln gemeinsam, ich könnte durch die Straßen rennen und ein Raunen starten... d'r Prinz kütt!!" Ach du dicke Fastnacht, dachte die Hauptstadtkatze, wenn das mal nur nicht eskaliert. "Der ferne Prinz.... das wird.... tja, wie wird das eigentlich........." Glückskeks versank in möglichen Szenarien und Jahren dazwischen und Hoffnungen, die starben und wiederauferstanden und zur Zeit vielleicht ja nur verreist waren, man wußte es nicht. Man wußte nix. Nur die Hauptstadtkatze wußte. Und erinnerte sich, an ein klägliches Kekskrümelhäufchen, das aus einem fernen Land zurückkam vor fünf fernen Jahren, und an viele Nächte seitdem.

Glückskeks schloß eins der Fenster zum WWW und schaute die Hauptstadtkatze an, und die Hauptstadtkatze schaute Glückskeks an. "Seltsam, oder?" Nein, dachte die Hauptstadtkatze, nichts ist seltsam hier. "Seltsam... ich kann ja nun nicht sagen, daß ich eine Beziehung möchte. Ich glaube, ich würde schreiend davon laufen, wenn er zwei Nächte hintereinander bei mir übernachten wollte, ich glaube ich bin schon eine dieser verschrobenen alten Damen mit 28 Katzen in dieser Hinsicht, wenn mir auch ein paar Dutzend Katzen und ein paar Jahrzehnte fehlen. Aber das mit der Verschrobenheit klappt schon ganz gut. Und es fehlt halt in letzter Zeit irgendwas. Zuviel geträumt? Zuviel erzählt bekommen von früheren Leben? Auf jeden Fall zu wenig Nächte durchgeredet. Zu wenig Augenblicke in andere Augen geschaut und erkannt. Zu wenig. Irgendwie, wenn ich mir diese kleinen Hauptstadtwohnungen in diesen putzigen Immobilienportalen ansehe, mal nur ganz ganz prophylaktisch, dann denke ich mir, da gibts einen Teil in meinem Herzen, da dürfte schon jemand einziehen. Is halt Hochparterre in einer etwas heruntergekommenen Gegend, mag halt nicht jeder." Glückskeks öffnete das nächste Fenster, und die Hauptstadtkatze fragte sich, wer da der geeignetste Kandidat wäre, dieser große Irre, oder der ferne Prinz, oder der, der eigentlich ein ganz ganz großes Haus hatte, aber es offensichtlich nicht wirklich brauchte. Oder vielleicht ein ganz neuer Kandidat. Idealerweise mit leichter Katzenallergie, so eine Nacht geht mal, aber ab der zweiten juckt die Nase zu sehr. Auf jeden Fall hatte der neuentdeckte Schriftsteller mit der sehr eigenwilligen Todesart schon wieder ein gutes Zitat beizusteuern, und sehr sehr sehr passend auf sehr sehr viele Arten. Ghosts and all.
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“I feel as if I am an ad
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I’m yours
ghosts and all.”
― Richard Brautigan