Sonntag, 30. Juli 2006
life in lala-land
"Ich glaub, ich hab sie wirklich nicht mehr alle", sagte Glückskeks. Die Hauptstadtkatze stimmte aus vollem Herzen zu, ohne sich zu artikulieren, und wartete auf weitere Erklärungen und auf Futter. Glückskeks füllte ein Hauptstadtkatzenabendessen in den Hauptstadtkatzennapf und sprach weiter. "Der Mann bestimmt viel zu sehr mein Leben, und ich kann noch nicht mal was dagegen tun. Wie gestern, da wollte ich einfach weg. Einfach weg, Hauptstadtkatze, und die Hauptstadt war nun zu weit weg für einen Tag, also fuhr ich wenigstens in ein anderes Land, an einen See, voll von Algen und verwunschenen Fischen, wo die Leute in einer anderen Sprache reden und alles ein klein bißchen anders aussieht als hier. Ein klein bißchen anders ist übrigens lustig, da fährt man rum und erkennt gar nichts, aber man vergleicht es unwillkürlich immer mit was, was man zu erkennen glaubt und sagt, hier siehts aus wie in Kansas, hier ist das Land so weit und der Himmel so groß und die Heuballen reichen bis weit über unsere Köpfe und sind groß und gelb wie Butter. Und hier, hier siehts plötzlich aus wie in Florida, an dieser staubigen Landstraße, wo es an den Rändern schon wuchert, und wenn man sich nur kurz umdreht, ist sie sicher schon zugewuchert. Und hier jetzt, hier, wo die alte Scheune steht mit dem verfallenen Holzzaun davor, da sieht es aus wie in Georgia. Da kommt jetzt sicher gleich ein Schild, Vidalia onions, cheap and delicious. Und auf jeden Fall bin ich an diesen See gefahren und habe mein Handtuch ausgebreitet an dem großen Baum gleich rechts und hab gedacht, hier bin ich allein in einem fremden Land, nur ich und meine Gedanken, und die kann ich jetzt ordnen und dann Urlaub von ihnen machen, nur einen einzigen Tag. Und ich hab meinen Eistee hingestellt und meine Zaubertasche, in die allesalles reinpaßt was man für einen Tag am See braucht, und die Sonne brannte und der Wind fuhr ganz leicht durch die Trauerweide, und das alles klingt doch perfekt, aber ich hatte schon einen Fehler gemacht. Ich hatte mein Handy dabei. Und das klingelte dann. Und er war dran, auf meiner Mailbox. Und ich hörte seine Stimme, die irgendwas belangloses, aber immerhin samstagwichtiges sagte, und ich dachte, Zirkusdirektor, ich kann hinfahren wo ich will, ich kann in die allerfremdesten Länder fahren, an die allerverwunschesten Seen, und ich bin doch nicht weit genug weg von dir."

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Donnerstag, 27. Juli 2006
done, undone, broken, unbroken
"What would you do", sagte Glückskeks zur Hauptstadtkatze. Hä, dachte die, ei nix, I wouldn't do shit as long as it's hot like this. "What would you do, steht auf meinem T-Shirt, das noch aus den 80ern überdauert hat. What would you do auf der Front, und dann auf dem Rücken steht, make all hearts unbreakable. Das wär schön. Denn manchmal hab ich echt Angst, daß der mir das Herz mal bricht." Die Hauptstadtkatze wußte das, und wußte wie leicht es zu brechen wäre. "Denn da kann sich so viel ändern. Was mach ich denn, wenn der plötzlich jemanden kennenlernt, von dem er denkt, das isse jetzt. Oder was mach ich, wenn ichs nicht mehr schaffe im Zirkus, denn Zirkusarbeit ist schwer, das haben wir ja gemerkt in der letzten Zeit, Hauptstadtkatze. Oder wenn er plötzlich auf den ganzen Zirkus keine Lust mehr hat. Aber das ist nun sehr, sehr unwahrscheinlich. Oder wenn er nochmal schon wieder mal Bergsteigen geht und wieder nicht aufpaßt, welchen Schwierigkeitsgrad der Weg hat, wie er mir so lustig erzählt hat. Oder oder oder.... ich spiele da ein gefährliches Spiel, denn ich hänge mein armes Herzchen an solch einen Mann. Aber wer hat mich schon gefragt, ob ich das will, und wer gibt mir schon eine Wahl, das zu ändern. Immer wieder mal passiert es, daß ich ihn angucke oder grade mit ihm am Telefon rede oder sonstwas, und ich plötzlich denke, der oder keiner. Der oder keiner." Glückskeks trollte sich auf die Dachterasse, und hatte wohl wieder was gemeinsam mit dem besten von allen, denn auch der nächtigte grade ständig auf seiner Terasse. Der oder keiner, ich weiß, dachte die Hauptstadtkatze. Armer Glückskeks.

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Sonntag, 23. Juli 2006
fortune, very sleepy
Glückskeks wankte mit rotverschlafenen Buschbaby-Augen ins Wohnzimmer, wo die Hauptstadtkatze grade langsam und sehr stufenweise erwachte. "Schon wieder so eine Nacht", sagte Glückskeks. Hä, dachte die Hauptstadtkatze dösig. "Jaja... schon wieder so eine Nacht. Ich frage mich, wieviele Nächte ich schon so mit diesem Mann verbracht habe. Komplett durchgearbeitet, fast komplett durchgestritten, stundenlang diskutiert, geputzt, ab und zu dann auch mal durchgetanzt und ein-, zweimal durchgesoffen. So viele Nächte...." Glückskeks gähnte. "Aber gefreut hat er sich, über die verspäteten Geburtstagsgeschenke. Das hat man gemerkt. Über das Buch gelacht und gleich geschmökert, und zitiert. Das sind doch gute Bücher, wenn man gleich daraus zitieren will, oder, Hauptstadtkatze?" Die Hauptstadtkatze stimmte zwar grundsätzlich zu, aber da sie beim Lesen die bekannten Katzenschwierigkeiten hatte, nämlich immer wieder lästige Probleme beim Umblättern wegen mangelnder opponierender Daumen, und daher der Literatur im allgemeinen etwas ambivalenter gegenüberstand, sagte sie lieber mal gar nix. Glückskeks wunderte sich nicht, daß sie nix sagte, wenn auch aus völlig falschen Gründen, und trottete in Richtung Badezimmer. Aber moment mal, dachte die Hauptstadtkatze, da fehlt doch diese Tüte aus der Küche, die da schon ewig war, du hast ihm doch nicht etwa auch das T.Shirt geschenkt?? "Aber hihi, das T-Shirt ist auch ganz gut angekommen", rief Glückskeks aus der Küche. Oh nein, dachte die Hauptstadtkatze, das mit dem netten älteren Herrn ist kein netter Geburtstags-T-Shirt-Aufdruck... "Er hat mich zwar vernichtend angeguckt... gute Güte, der wird ja immer empfindlicher wegen seines Alters.. bei dem einen Lied konnte er nur noch aufjapsen, als er ausgerechnet hat, daß er das aus seiner Jugend kennt und es jetzt 35 Jahre alt ist.. das kann ja noch heiter werden.. aber auf jeden Fall hab ich ihm dann überzeugend erklärt, daß das nett ja sowieso gelogen ist, dann stimmt auch der Rest des Shirts nicht, alles gelogen.." Glückskeks schmunzelte ein bißchen in der Erinnerung. "Aber ich hab auch ein, zwei Geschenke gekriegt.. einmal daß er so interessiert zugehört hat, als ich die Geschichte erzählt hab von diesem Unbekannten, der mich letztens einfach so auf der Straße angesprochen und gefragt hat, ob ich glücklich bin. Und, was hast du da gesagt, hat der beste von allen gefragt. Ja bin ich, hab ich gesagt, und der Unbekannte hat nur gemeint, das sieht man, und ist weitergelaufen, und der beste von allen hat interessiert und ein bißchen nachdenklich geguckt und weitergearbeitet. Und das beste Geschenk von allen, das kann man nicht so beschreiben... kennst du dieses Grinsen, Hauptstadtkatze, das man hat, wenn man sich so richtig freut, aber das nicht so zeigen will, warum auch immer, und man grinst dann so ein bißchen schafsmäßig?" Die Hauptstadtkatze kannte es, weil Glückskeks es sehr oft zeigte, wenn sie vom besten von allen berichtete. "Also dieses Grinsen jedenfalls, ich glaub, das hab nicht nur ich im Gesicht gehabt. Ich glaub, das hab ich auch bei dem gesehen. Aber genau weiß man das ja nie.." Glückskeks grinste jedenfalls schon wieder, zumindest ein kleines bißchen, so in der Erinnerung. Dann seufzte sie. "Durchgearbeitet, Hauptstadtkatze, durchgeredet, durchgefeiert. Aber noch nie durchgeliebt...." Glückskeks ringelte sich noch ein bißchen direkt vor dem Ventilator zusammen, wo es auszuhalten war, und die Hauptstadtkatze schlief schon weiter, Stunden um Stunden im Vorsprung bei der geschlafenen Zeit.

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