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Samstag, 22. Oktober 2005
grey days - unfortunate and wet
"Natürlich ist es so, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks, "daß nach einem Hoch erfahrungsgemäß und aller Logik gerecht ein Tief kommen muß, und ich bin ja auch froh daß das Tief lange nicht so tief ist wie das Hoch hoch war, aber trotzdem stinkt das Leben manchmal." Die Hauptstadtkatze hob kurz den Kopf und ließ ihn dann wieder auf die Pfoten fallen, was nachmittags ja wohl schon genug Aufhebens und Aufmerksamkeit für einen Glückskeksmonolog war. "Er hat Urlaub und meldet sich nicht und ich seh ihn nicht und es regnet draußen und das Laub ist ekelhaft naß und ich muß noch arbeiten gehen. Und ich vermisse ihn. Und meine Wäsche ist immer noch ungebügelt und die Spritpreise sind so hoch und ich hab schlecht geschlafen. Und ich vermisse ihn." Glückskeks sah die Hauptstadtkatze an. Die Hauptstadtkatze hob die drei Tasthaare über ihren Augen, die die linke Augenbraue bildeten, und sah Glückskeks an. "Jaaaaa, isjaschongut", brummelte Glückskeks. "Laßmichdoch!! Ich weiß ja, Herbst muß numal sein. Das Bügeln werd ich schon noch hinkriegen, und der Tank ist ja noch fast voll. Und am Dienstag spätestens seh ich ihn wieder. Der Regen kann auch ganz gemütlich sein und das Laub ist unglaublich bunt. Und ich weiß, ihm hat es beim Konzert auch gefallen. Eigentlich macht mir die Arbeit ja Spaß.... und ich schwör, ich werd versuchen, mich nicht gleich wieder so blöd dranzustellen, wenn er gleich vom nächsten Konzert erzählt, zu dem er gern gehen würde. 'Ach echt', werde ich sagen, 'na da würd ich doch auch gern hin. Sollen wir einfach hinfahren am Sonntag? Ich würd mich freuen. Ich mag es, wenn wir Zeit miteinander verbringen', werde ich sagen. Statt 'Ach echt'. Ich bin so doof." Die Hauptstadtkatze nickte ganz unmerklich.

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Donnerstag, 20. Oktober 2005
and then there was music
"In die Hölle komm ich, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks mit großer Überzeugung. Die Hauptstadtkatze wußte das, harrte aber einer weiteren Erklärung. "Aber in der Hölle werde ich sagen, macht nix, das hat sich nu mal rentiert." Glückskeks grinste in Erinnerung an den letzten Abend. "Vom runden Geburtstag der Frau Mama unter fadenscheinigen Ausreden abzuhauen, jaja die Grippe und so, ach dann geh doch Kind, und dann ab aufs Konzert mit dem besten von allen... wie wir das überhaupt hingekriegt haben, weiß ich sowieso nicht, vor lauter Rumeiern und ja-ich-geh-auch-dahin und bis-morgen-dann und wir-sehen-uns-dort... und dort stehen und zuhören, geniale Musik, der Bruder kann ja so schön verzweifelt klingen und inbrünstig und streicherlastig und sehr, sehr live.. und den besten von allen neben sich zu haben. So ein Stückchen Paradies ist doch die Hölle wert, oder? Und sich angrinsen und einfach zuhören.. und so fast ganz am Ende dreht er sich nochmal um und sagt, besser als Geburtstag, oder? Und ich grinse und sage, viel besser, viel viel besser...." Glückskeks suchte schon wieder die CD vom Event der Livemusik-Kultur, und die Hauptstadtkatze machte mißmutig Platz für die Suchaktion. "Und dann noch kurz rein zun Kollegen, und die eine Kollegin, die Bescheid weiß über die Irrungen und Wirrungen meines Herzens, die fragt, was habt ihr denn getrunken, und ich sage hä, nix, nur Wasser und Cola light, und sie sagt, das glaubt sie ja wohl nicht, wir hätten so strahlende Augen, wir müßten ja wohl was getrunken haben.. Ach Hauptstadtkatze, das ist überhaupt eine gute Frage, warum ich denn nicht einfach meine Gefühle offenbare... schon wieder mal... aber dann doch ganz anders... warum eigentlich nicht.... ich glaube, weil ich sie eigentlich der ganzen Welt offenbare, wenn ich ihn angucke und besoffen gucke von lauter ihn-nur-angucken, wenn ich nix auf ihn kommen lasse, egal was für ein Ding er mal wieder dreht, wenn ich mein Herzchen der virtuellen Welt ausschütte.... vielleicht kommt ja einfach mal die gute Fee und wedelt mit dem Feenstab, so geschickt aus dem Handgelenk, wie wenn sie ein Ei aufschlagen würde, und er hüstelt ein bißchen vom Feenstaub und sagt, ach so, ja wenn das so ist, und knutscht mich endlich nieder oder tut sonst was hochromantisches .... schließlich hab ich ja schon manchmal den Eindruck, daß die Fee schon mal da war, so irgendwann klammheimlich dieses Jahr, als wir beide geschlafen haben, und hat ihm den Schleier aus den Augen gerieben, damit er mein Herz so sieht wie es wirklich ist. Den Rest können wir nur abwarten. Und die meiste Zeit über eben doch denken, Blödsinn, der liebt dich nich. " Glückskeks entschwand in die Welt schwedischer Musiker, und die Hauptstadtkatze war mal wieder froh, ihre Ruhe zu haben. Die Möven waren weit, und der Winter kam immer näher.

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Dienstag, 18. Oktober 2005
fortunate things people say
"...und ich hatte solche Angst davor, was die beste Freundin von allen so über ihn sagen würde, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks und schwelgte schon wieder in Erinnerungen an einen bestimmten Sommertag. "Schließlich ist sie mein Kompetenzteam, die grande dame der Beobachtungsgabe und Empathie, die Analytikerin anderer Leuts' Gefühle unter dem Herrn... " Glückskeks holte sich noch ein Kleenex, schneuzte und warf es auf den großen großen Kleenexhaufen in der Plastiktüte, in der sie ihre Herbstgrippe aufbewahrte. "Und sie hat zuerst ja gar nicht viel gesagt, und ich hab gedacht, jessas was hat das denn jetzt zu bedeuten, wenn sie so kaum was sagt, und dann nach einigen Jägermeistern an einem sentimentalen langen gefühls- und kräuterlikörtrunkenen Abend, da hat sie so viel gesagt... Also jetzt nur ein paar Sätze, aber die sag ich in meinen mutlosen Nächten jetzt immer vor mir her." Die Hauptstadtkatze kannte diese mutlosen Nächte gut, es waren die, in der besonders viele Kerzen brannten, besonders viel Musik gehört wurde und besonders viel durch die Wohnung geschlurft wurde. "So was wie, wenn du dann reinkommst, dann strahlt der. Oder auch, wenn der mit dir redet, könnte man den erschießen, dann hätt der keine Deckung. Oder, und ganz besonders gern genommen, nee ich weiß nicht, aber da spürt man auf jeden Fall eine ganz tiefe Verbundenheit zwischen euch, das ist schon mehr als Freundschaft." Glückskeks schaute in den Sonnenuntergang auf ihrem Balkonglasdings, und ihr Herz ging hinaus, über den Herbst und den Schnupfen und den Alltag hinaus an einen ganz bestimmten Ort, von dem nur sie den Zugangscode kannte.

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