Glückskeks und die Hauptstadtkatze

"Wenn ich noch einen Tag mit dem verbringen würde, würde ich schier verrückt werden, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks. "Ich muß mich jetzt wohl ein bißchen irgendwo zusammenringeln und verdauen. Am liebsten in einem alten, großen Kleiderkoffer auf einem verstaubten Speicher in einem verlassenen Haus. Exkolleginnen raten mir, ich müßte jetzt wohl endlich von ihm loskommen. Ich kann nur sagen, ich brauch ja auch Luft zum atmen und versuche nicht, von der loszukommen." Die Hauptstadtkatze ringelte sich auch ein bißchen zusammen und hielt die Luft an, bis sie prustend atmen mußte. "Ach so", sagte sie. "Ja dann. Is klar."

"Der Geburtstag des besten von allen, Hauptstadtkatze!" sagte Glückskeks. Die Hauptstadtkatze ringelte sich vor Glückskeks' Füßen zusammen. "Kuchen, Gespräche, Kollegen, Freunde, Wein, Essen, Exfreundinnen, Diskussionen über Loyalität, Beziehungen, Perversionen, Sport, Musik, also das Programm wie immer. Seine Wohnung gesehen zu haben, Hauptstadtkatze! Ihn wiedergesehen zu haben nach dem längsten Seminar der Welt. Seine Mutter zu sehen, seine Kinder, seine besten Freunde, die ich noch nicht kannte. Ein Stückchen mehr von ihm kennenzulernen. Ihn immer noch ein bißchen besser zu verstehen. Und weißt du, was mich diesmal am meisten verblüfft hat? Was ich überhaupt nicht kapiere? Daß ich ruhig neben der Exfreundin sitzen kann, wenn sie nur Augen für ihn hat. Daß ich ruhig zuhöre, wenn meine Kollegin fragt sie, ob sie denn wieder zusammen wären, und eine ausweichende Antwort erhält. Daß mir das alles gar nichts ausmacht, so wirklich. Daß ich nur daran denke, wie er sie ansieht, und wie er mich ansieht. Und daß ich denke, der Blick, den er mir gibt, gefällt mir besser. Ich kann warten, Hauptstadtkatze. Ich, die sonst eine Aufmerksamkeitsspanne von 3,8 Sekunden haben kann. Der es zu lange dauert, wie lange eine Waschmaschine wäscht. Ich kann warten. Succeed or die trying, Hauptstadtkatze." Die Hauptstadtkatze hörte sich das alles an und glaubte Glückskeks, weil sie sah, daß Glückskeks daran glaubte. Erst wenn Glückskeks nicht mehr daran glauben würde, würde der Möventraum eventuell noch einmal wahr werden können.

"Jetzt dauert es nicht mehr sooo lange, bis ich ihn wiedersehe, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks. "Ist es eigentlich normal, daß alle Leute larger than life werden, wenn sie mal eine Weile nicht da sind? Wird er dem standhalten? Ich habe in den letzten zwei Tagen weniger an ihn gedacht, als an die Ungerechtigkeit, die ihm passiert ist. Kommt selten vor, daß ich so wütend werde, daß ich weine....Bald hat er Geburtstag, und was ich ihm schenken will, gibts gar nicht. Oder doch?" Die Hauptstadtkatze wußte, daß alles larger than life ist, was grade nicht da ist, und daß es alles alles gibt auf der Welt, auch wenns grade nicht da ist.