Sonntag, 8. Juli 2007
fortune's radical heart
"Ach weißt du, Hauptstadtkatze", sagte Glückskeks gefährlich ruhig, "nein, du weißt eben nicht. Du bist eine Hauptstadtkatze, aber du kannst ja nicht alles mitkriegen." Glückskeks summte leise "you can't always get what you want", obwohl sie meistens überhaupt kein Stones-Fan war, und eigentlich auch kein Beatles-Fan. "Da ist eben so viel passiert in der Zwischenzeit..." Die Hauptstadtkatze leckte nach der rechten nun auch ausgiebig ihre linke Pfote, sie wußte, das würde länger werden. "Es war ja gar nicht so der Abend, an dem der beste von allen vor meinen Augen diese Fusseljägerin geküßt hat. Das war gar nicht so schlimm. Ein Ex-Freund hat vor langer Zeit weit weg von hier mal gesagt, it's not the things that worry you that will happen, it's the things you don't worry about, those are the ones that will fucking get you. Und so war es auch, es war fast wie eine kleine Befreiung, als es endlich passiert ist. Ich hatte ja so lange gedacht, wenn er mich nur endlich so sehen würde, wie ich wirklich bin, wenn das endlich passieren würde... aber da hatte ich die Rechnung ohne den Zirkusdirektor gemacht, ganz klar. Denn als das endlich passiert ist, oder zumindest glaub ich, daß das irgendwann zwischendrin passiert ist, da hat er mich auch nicht ganz plötzlich geliebt, wie ich das wohl irgendwie so gedacht habe in meinem kranken Hirn. Denn das ging ja nicht. Da waren ja noch ganz andere Sachen im Spiel, die mit anderen Sachen zu tun haben, von denen ich keine Ahnung hab. Denn dieser Zirkusdirektor ist manchmal durchaus wie ein verdammtes offenes Buch für mich, aber so einige Kapitel fehlen völlig. Die Kapitel, die die ganze Sache erklären würden, die Stelle wo sie bei CSI oder so die ganze Geschichte auflösen. Ihre Fingerabdrücke haben uns nämlich was ganz anderes gesagt, Herr Zirkusdirektor. Muß irgendwas mit einer ganz alten Geschichte zu tun haben. Oder vielleicht auch nicht. Denn sowas gibts ja nur im Film, oder? Ich meine, was der mir da erzählt hat, als ich erzählt habe, daß es ja wohl das Schlimmste auf der Welt ist, wenn man am Tag der Geburt seines Kindes vom Vater des Kindes verlassen wird. Und er dann sagte, doch es gibt was schlimmeres. Und ich sagte, nein, was soll denn bitteschön schlimmer sein als das? Und er sagte, wenn der Vater des Kindes die Mutter nochmal im Krankenhaus besucht und sagt, das Kind ist ja echt nicht schön, und die Mutter dann verläßt. Das hat doch nicht wirklich was mit seinem Leben zu tun, oder, Hauptstadtkatze? Das hat der doch nur gesagt, um mir endgültig das Herz zu brechen. Das hat doch nix mit dem Zufall zu tun, daß er seinen Vater nie kennengelernt hat, oder?" Glückskeks schaute etwas panisch, entschied dann aber, daß das bestimmt aus irgendeinem Film war. "Weißt du, Haupstadtkatze, manchmal seh ich wirklich, daß der mich liebt, wenn ich in seine Augen sehe. Oder bin zumindest fest davon überzeugt. Aber der liebt halt nur so etwa 60% meines Körpers, und so etwa 50% von meinem Hirn. Deshalb ist man ja ganz anders drauf und muß sich selbst was beweisen, indem man mit blonden Bimbos um die Häuser zieht. Das stärkt den Status eines Zirkusdirektors, dessen Ego so fragil ist. Das macht Laune, das kommt gut rüber. Und dann sind da die Abende, an denen man sich vielleicht unterhalten will, ein bißchen sein Herz zeigen will. Da bräuchte man was anderes, aber das verwehrt man sich, weil man sich selbst nicht wert dafür hält. Denn wenn man sich öffnet, mag einen ja keiner mehr. " Glückskeks seufzte tief. "Ach, vielleicht rede ich ja auch nur einen Haufen gequirlte Scheiße, Hauptstadtkatze, und hätte viel weniger Jägi trinken sollen. Aber so gibt es halt für mich irgendwie halbwegs einen krummen holprigen Sinn. Aber es erklärt nicht alles. Es erklärt nicht den anderen Teil der Reise dieser Zeit, dieses halben Jahres, den fernen Prinzen, der nur noch halb so fern ist, und vielleicht in gar nicht so ferner Zukunft verdammt nah. Manchmal seh ich wirklich, daß der mich liebt, wenn ich in seine Augen sehe. Eigentlich seh ich das öfter, und bin mir da sichererer. Und ich seh noch was ganz anderes, ich seh daß der mich begehrt. Das hab ich bei dem Zirkusdirektor noch nie gesehen. Machen wir uns da mal nix vor. Wenn ich bei dem fernen Prinzen in die Augen sehe, sehe ich Möglichkeiten. Ich sehe Begehren. Ich sehe, wie man es anstellen kann, nicht als alte einsame Frau mit zwanzig Katzen in der Ein-Zimmer-Hauptstadtwohnung zu enden." Zwanzig Katzen, dachte die Hauptstadtkatze? "Und wenn ich bei dem Zirkusdirektor in die Augen sehe, seh ich die Welt. Die ganze Welt. Aber was solls, oder... you can't have the whole world, i guess.... You can't have everything, hat ja immer der Papa des anderen Ex-Freundes gesagt. You can't have everything, coz where would you put it??" .............Die Hauptstadtkatze hatte natürlich doch alles mitbekommen, egal in welchen fernen Ländern sich all diese Erkenntnisse abgespielt hatten. Hauptstadtkatzen bekommen alles mit. Sie sagte nur nichts dazu. Das alles machte sie ein bißchen sprachlos.

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