Montag, 27. Juni 2005
fortune waiting for miracles to happen
"Also das schlimmste an der Hauptstadt", sagte Glückskeks, und die Hauptstadtkatze fragte sich entrüstet, was denn da überhaupt schlimm gewesen sein könnte, "das war der Sonntagabend, allein im Hotelzimmer, als ich plötzlich dachte, aus der Nummer komm ich nie mehr raus, den Besten von allen werd ich mein Leben lang anhimmeln, und er wird mein Leben lang nix damit anzufangen wissen, und irgendwann werd ich dann den Entschluß fassen, ich muß hier weg, ich muß wieder in die Hauptstadt, weil ich dort ein anderes Leben haben kann, ein bißchen mehr im 16:9 Format, ein bißchen mehr Technicolor und Dolby digital, ein bißchen larger than life - und was ist dann, wenn das nicht mehr geht, wenn ich dann auch in meiner Bude sitze und heule wegen des besten von allen, der in meinem Kopf sitzt wie ein Flaschengeist und sagt, das ist cool, hier geh ich nicht mehr weg, hier freß ich mich durch alle Gehirnwindungen durch und kann überall sein, überall! Wenn ich feststelle, mein anderes Leben funktioniert nicht mehr, in meinem Kopf ist alles voll Flaschengeist und kein Platz mehr für die Möven, den Kanal, den Fernsehturm und Technicolor..." Glückskeks schaute mit mildem Entsetzen zurück auf den Sonntag. "Na gut, Montag und Dienstag ist es dann ein bißchen besser geworden, der Flaschengeist war ein bißchen leiser und der Hermannplatz und die U-Bahn ein bißchen lauter, und ich habe gemerkt, es könnte wieder funktionieren. Ich dürfte halt nur nie das Sony Center sehen, weil er das mal in einem Nebensatz als Treffpunkt vorgeschlagen hatte für den unsäglichen Fall, daß er mich damals in Berlin besucht hätte. Und ich dürfte keinen einzigen rotblonden Mann sehen, und keinen einzigen schwarzen Kombi, und nie wieder irgendwelche obskuren Depri-Alternative-Bands hören, und nie wieder Lost in Translation sehen oder Lola rennt oder Memento. Aber das wäre doch machbar. Also auf was warte ich eigentlich hier, auf ein Wunder, das einem rotblonden Mann die plötzliche Erkenntnis eingibt, Glückskekse sind der Schlüssel zu seinem Glück? Auf eine Umarmung, die nicht schiefgeht? So ein Blödsinn. Das wird nie passieren, nienienienienie..." Die Hauptstadtkatze seufzte innerlich ein bißchen und wußte, mit dem Packen von Futternapf und Katzenspielzeug mußte sie noch nicht wirklich anfangen, denn die Augen von Glückskeks hatten zu flaschenvergeistigt gefunkelt, als sie dieses Nienienienie erwähnt hatte. Es würde sicher noch ein bißchen dauern bis zu diesem Nienienienienie.

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